Von der Unvollkommenheit der Welt

Nichts ist vollkommen hier auf dieser Welt.
Der Rose ist der Stachel beigesellt;
Ich glaube gar, die lieben holden Engel
Im Himmel droben sind nicht ohne Mängel.

Heinrich Heine, «Unvollkommenheit» (erster Absatz)

Man denkt nach, man plant, man zeichnet, man bestellt. Und manchmal wird es dann auch so gebaut, manchmal nicht. Ein geradezu komischer Fall von «manchmal nicht» mussten wir bei unserem Kindergarten in Zihlschlacht erfahren. Für die dicke Stütze beim Eingang hatten wir ein Sockeldetail entwickelt, dass die bei Holzstützen im Aussenraum so unschöne Stelle des unteren Abschluss löst: Die Stütze steht, zumindest optisch, nicht auf einem Metalldorn, sondern auf einem Betonsockel und zwischen Beton und Holz gibt es eine knappe Fuge mit einer unsichtbaren Tropfnase. (vgl. Plan in der Bildergalerie)

Wir dachten an die Kosten und auch an die Kirche im Moor, wo Plečnik aus Kanalisationsröhren ganze Stützen gebaut hat und wählten darum für den Sockel ein Betonfertigteil aus dem Tiefbaubedarf. Diese Betonröhren haben  nicht nur eine sehr präzise Form und Oberfläche, sondern auch eine «Falzmuffe» genannte Eigenheit, die trefflich unserem Zweck entsprach, eine verdeckte Tropfnase auszubilden. Die Form der gedrechselten Stütze haben wir sodann auf den genormten Durchmesser der Kanalisationsröhre abgestimmt, um sie schön bündig, wie es Architektinnen und Architekten so gerne mögen, auf ihren Sockel zu stellen.

Stütze und Sockelrohr wurden geliefert und montiert und es sieht toll aus.

Für den Gartenpavillon, der auf vier Stützen steht und von einem anderen Holzbauer gebaut wird, wollten wir das gleiche Detail in einer verkleinerten Form noch einmal verwenden. Zu schade aber, dass der Holzbauer beim Erstellen seiner Werkpläne nur den Vermerk «Kanalisationsrohr» von unseren Plänen kopiert hatte, nicht aber die entsprechende Bestellnummer. Und so wurde auf der Baustelle kopfschüttelnd ein PVC-Rohr abgelängt, um den Stützenfuss gestellt und mit Beton ausgegossen. Jetzt sitzen die schön gedrechselten Holzstützen auf einem orangen, ausbetonierten, zu dünnen Kanalisationsrohr statt bündig auf dem schönen Betonfertigteil.

Wie die Geschichte ausgeht, wird man an der Besichtigung vom 13.Juli gerne selbst anschauen können.