Projekte

Seit dem Wettbewerb im Jahr 2019 wurde – neben den normalen Planungsarbeiten –  ein spezifischer, in hohem Masse nachhaltiger Prozess der Materialbeschaffung für die Betriebserweiterung der Appenzeller Alpenbitter AG entworfen. Nicht nur wurde das nötige Holz in den vier betriebseigenen, nahen Wäldern geschlagen, sondern auch – aufgrund der kurzen Transportwege – in der Sägerei des Klosters Magdenau eingeschnitten. Und die rund 100 Jahre alten Wälder, die weitgehend aus Monokulturen aus Fichte/Tanne bestanden, werden nun mit einem nachhaltigen, wertvollen Mischwald wieder aufgeforstet. (Mehr dazu auf der Seite der Appenzeller Alpenbitter zum Projekt und demnächst auch hier.)

Im August dieses Jahres aber war das Holz nun bereit, die Teile produziert, das Fundament erstellt und das Aufrichten konnte beginnen. Beindruckend, wie pro Achse zwei Binder gleichzeitig von Pneukranen in Position gehoben, aneinander gestützt und im Firstpunkt verschraubt wurden. (Die Halle ist bewusst so konzipiert, dass in den Hochregallager keine tragenden Stützen oder Wände integriert sind, sodass sie in Zukunft auch anders genutzt werden könnte. Die auf den Bildern erkennbare, dünne Holzwand unter den Bindern trägt nicht, sondern ist dem Brandschutz der Hochregallager geschuldet, in denen hochprozentige Alkoholika gelagert werden.)

Und nun, Anfangs Oktober, steht das Gebäude in einer ersten Rohfassung bereits da. Sein Ausdruck ist im Äussern zwar noch vom hellblauen Windpapier geprägt, doch in den nächsten Wochen wird die Fassade aus überdimensionierten Holzschindeln montiert. Und bereits jetzt staffelt sich das mächtige Volumen in mehreren Schritten so ab, dass das neue Gesicht der Appenzeller Alpenbitter AG zum denkmalgeschützten und frisch sanierten Sitterviadukt sichtbar wird. Die skulpturale Betonstütze im Bereich der Anlieferung bildet dabei der Kumulations- oder Ausgangspunkt der Volumetrie – und wurde auf einer trapezoiden Grundform mit schöner Präzision ausgeführt.

Im Inneren bilden die eigens entwickelten Hochregallager aus Holz – das auch aus den betriebseigenen Wäldern stammt – beeindruckende Gitterstrukturen, räumliche Schluchten und imposante Durchblicke; mächtig, präzise und dynamisch bilden die Stützen, Binder und Zugstangen das Tragwerk. (Tragwerkplanung B3 Kolb AG).

 

Es ist eine der Besonderheiten des Schweizerischen Detailhandels, dass sich ein Duopol von Migros und Coop rund 85% des Marktes aufteilen. Damit verbunden ist eine ungewöhnliche Markentreue von grossen Teilen der Bevölkerung – es gibt „Migroskinder“ und „Coopkinder“, die, geprägt von den Einkaufgewohnheiten der Eltern und den immergleichen Produkten und Eigenmarken, diese Treue vererbt bekommen. Geprägt sind die Bilder im Kopf von Generation von Kund:innen nach wie vor durch die in den 1970er Jahren in grosser Zahl entstandenen Supermärkten – gerade auf dem Land für Viele damals ein Novum, das kleine, individuelle Lädeli abgelöst hat. Sie waren oft ortsbildprägend und mit dem architektonischem Anspruch der 1970er-Moderne gestaltet.

Einer der letzten Migrosmärkte, der noch weitgehend im Zustand der 1970er Jahre erhalten war, war bis vergangene Woche jener in Appenzell. Mit seinen Neonröhren-Rasterdecken, den langen Regalgängen und vor allem dem zeittypischen Restaurant weckte er Erinnerungen  – und spätestens an seinem letzten Verkaufstag auch Sentimentalitäten: Es waren viele Appenzeller:innen gekommen, die ein Souvenir des alten Gebäudes mit nach Hause nehmen wollten und die Lokalpresse berichtete vom «Ende einer Ära«.

Bei jedem Besuch frappierend war die Ausstattung des Restaurants, die nach fast 50 Jahren intensiven Gebrauchs immer noch in einem erstaunlich guten Zustand war. Holzstühle und -bänke mit zeittypischen Kunstlederbezügen standen um Tische, die aus einer gelben Emailplatte mit grossen, runden Anleimern auf einem Holzgestell bestanden. Es schien uns nicht richtig, diese Tische einfach zu entsorgen – in einem zeitgemässen Schnellrestaurant hatten sie aber keinen Platz.

So kam uns die Idee, einige der Tisch zu Sitzgelegenheiten umzubauen, die in der Mall unserer neuen Migros Sandgrube aufgestellt werden sollten. Die Tischbein gekürzt, die Tischplatte mit einer Rückenlehne ergänzt und die Oberflächen saniert wird aus einem alten Tisch ein neues Bänkli. Eine simple Idee – aber ein langer Weg, bis die Anforderungen des Brandschutzes, der Ergonomie und der Stabiltät mit unseren gestalterischen Anforderungen in Einklang gebracht werden konnten. Unterstützt wurden wir dabei in herausragender Weise von der Customized Furniture Abteilung von Girsberger – einer Firma, die sich seit langem mit Remanufacturing, Refurbishment und Upcycling beschäftigt und darin eine hohe Kompetenz entwickelt hat.

Schliesslich stehen nun eigenwillige Sitzbänke als Spolien bzw. als kleines Re-Use-Projekt in der Mall der Migros in Appenzell. Ein Möbel, dass ein Stück der Appenzeller Migrosgeschicht bewahrt und bei der Eröffnung von einheimischen Besucher:innen mit Freude begrüsst wurde. Und ein Möbel, dass die gestalterische Kraft, die in der Auseinandersetzung mit vorhandenen Bauteilen liegt, ausschöpft. Denn ein solches Design würde sich niemand ausdenken und es würde vermutlich auch kaum eine Bauherrschaft das emaillieren von Sitzbänken bezahlen.

 

Liebe Freund:innen, liebe Kolleg:innen

Wir freuen uns, Euch rund 10 Jahre nach dem Wettbewerb zur Besichtigung unseres Projekts „Sandgrube“ einladen zu können. Es handelt sich um den Neubau einer Migros, von Gewerbeflächen, Büros und 33 Wohnungen.

Wir freuen uns auf Euren Besuch am

Samstag, 31.08.2024, 11.00 – 16.00 Uhr
Feldstrasse 14, 9050 Appenzell

 

  • Bitte benutzt die Tiefgarage der Migros. Die Einfahrt erfolgt von der Feldstrasse.
  • Vom Bahnhof Appenzell dauert der Spaziergang rund 10 Minuten.
  • Wir erwarten Euch unter dem grossen Vordach bei Würsten und Getränken.
  • Unter diesem Link der Flyer der Einladung zum Ausdrucken oder Weiterleiten

Und noch ein Hinweis: Die Umgebung von Appenzell bietet eine grosse Zahl an wunderbaren, entspannten Wanderungen jeglichen Schwierigkeitsgrades. Wir beginnen darum schon um 11 Uhr – so lässt sich die Besichtigung der Sandgrube mit einer kleinen Wanderung zu einem schönen Ausflug ins Appenzellerland erweitern.

 

Eigentlich sollte man alles, was man gebaut hat, nach einigen Jahren daraufhin überprüfen, wie es funktioniert und was vielleicht auch nicht – und daraus lernen. Besonders gilt dies für Bauten, bei denen kleinere oder grössere Experimente gemacht wurden. Elemente des gemeinschaftlichen Wohnens sind im ländlichen Raum nicht sehr verbreitet und so waren wir zwei Jahren nach der Eröffnung noch einmal mit dem Fotografen Hannes Heinzer am Lindenhof zu Gast – und sehr erfreut darüber, wie die Aneignung und Benutzung des gemeinschaftlichen Aussenraums funktioniert. Der auch für Aussenstehende unterschwellig zugängliche Hof wird von vielen Kindern frequentiert, der Brunnen dient als Planschbecken, die Erwachsenen sitzen unter dem gemeinsamen Vordach, kennen sich alle, plaudern beim Heimkommen, haben Apéro und pflegen die Pflanzen.

Und ein Hinweis: Wir waren zwar angekündigt, doch nichts an der Szenerie wurde gestellt oder inszeniert. Wir danken den Bewohnenden, für die Erlaubnis zu Fotografieren und für das gemeinsame Bier. Mehr Bilder auf der Projektseite.