Die Hauptattraktionen am Umbau des Dachgeschosses an der Claridenstrasse sind sicherlich der Raum und das Licht. Der nach oben geöffnete Dachstuhl, die inszenierte Betonstruktur und die Serie von Oblichtern im Firstbereich prägen den komplett weiss und grau (Steinholzboden) gehaltenen Raum, der seine materielle und farbliche Gestaltung weitgehend vom Urzustand, einem Archivraum, bekommen hat. Aber auch bei einer noch so reduzierten Raumgestalt konnten und wollten wir nicht auf einige besondere Details verzichten – etwa die Lüftungsauslässe mit ihrer zeittypischen Motivik oder die nicht weniger zeittypischen Stossgriffe der Türen aus schwarz gebeizter, gedrechselter Eiche und poliertem Aluminium. Die Bilder aus der Werkstatt der Schreinerei Hechelmann machen Freude – und wir können es kaum erwarten, bis die Endmontage stattfindet.

 

Es handelt sich bei eine CoSubstratannahmestelle im Wesentlichen um eine Maschine im Format eines Gebäudes. (Mehr dazu hier oder auf der Seite der AVA Altenrhein.) Die zu schützenden Maschinen und die technischen Bedingungen – etwa die Kipphöhe eines Lastwagens – führte zu einer skulpturalen Volumetrie, die mittels einer Holzfassade gegliedert und gestaltet und so ins architektonische Gesamtkonzept der AVA Altenrhein integriert wird.

Auf der anderen Ende der Massstabsskala arbeiten wir mit Abwurfsblechen, die als Simse ausgebildet sind, mit kleinen Rundungen bei den Dachabschlüssen, mit zweifarbigen Lasuren auf dem Holz oder mit Auslässen der Hinterlüftung, die wie ein gezahntes Abschlussfries den Baukörper gegen oben beendet.
Und für den Übergang von Holzfassade zu Betonsockel haben wir uns etwas Besonderes ausgedacht. Als wir diese Stelle mit dem Holzbauer besprochen haben, meinte dieser zum Gefälle der Krone des Betonsockels: «Je steiler, desto besser für das Holz.» Dies, weil weniger Schnee liegen bleibt und der Regen weniger stark an die Unterseite der Holzlatten spritzt.

Affirmativ haben wir uns daher entschieden, dieses holzbautechnische Detail zum gestalterischen Prinzip zu machen. Mit einem 45°-Winkel oder, wenn man so will, einer extrem grossen Dreikantleiste, schliesst der Sockel nach oben ab. Die Holzlatten werden unten entsprechend angeschnitten und verzahnen sich so optisch mit dem Betonsockel. Besonder schöne Details entstehen dort, wo die horizonalte 45°-Schräge mit der kleineren, vertikalen Dreikantleiste zusammentrifft.

 

 

 

Ein besonderes Herzensprojekt ist mir der Lindenhof in Oberaach, TG, geworden. Eine Alternative zum Einfamilienhaus: Für Familien erschwingliche Wohnungen, die den Komfort eines Häuschens mit der Dichte von Wohnungsbauten verbindet und die durch den gemeinsamen Aussenraum auf  unaufdringliche Art zur Gemeinschaftlichkeit anregen sollen.

Der Rohbau der ersten beiden Einheiten steht jetzt und macht grosse Freude – die Splitlevelorganisation erweist sich wie gewünscht als räumliche Wundertüte, die französischen Fenster als optimale Lösung für die Zimmer – und die Räume unter dem Dach als aussergewöhnliche Bäder. Und in jeder Wohnung erzeugt die Dualität der Lage – auf der Südseite die räumliche Nähe des Hofes, auf der Nordseite der weite Blick in die Kulturlandschaft – eine erstaunlich spannungsvolle Wahrnehmung des Ortes.

Im aktuellen Hochparterre Wettbewerbe durfte ich mein Lieblingshaus vorstellen – die Villa Jurkovič in Brünn. (Dušan Jurkovič, 1906)
Weil das Format nur kurze Texte vorsieht, mir es aber schwer fällt, kurze Texte zu schreiben, musste mein viel zu langer Text fürs Heft gekürzt werden. Hier nun der Vollständigkeit halber der komplette Text, inklusive einleitendem Zitat und Fussnote. (Die Fussnote erklärt auch den schönen Titel, den Ivo Bösch im Heft gesetzt hat: «All die Wunder».)

 

„Die Diele hat die Rolle des früheren Wohnzimmers übernommen; hier wird gelesen, geraucht, Siesta gehalten, Kaffee oder Thee getrunken, hier empfängt man seine intimsten Freunde.“

Henrin Baudin, Villen und Landhäuser der Schweiz, 1909

 

Alle die fertigen und vorbereiteten Wunder[1]

Die Halle ist ebenso das räumliche Zentrum des Hauses wie jenes des täglichen Lebens. Ankommen, Wohnen, Essen, Freitzeit, Bewegung – alles findet hier statt: Ein Tisch in der Mitte für Gäste. Eine dämmrige Nische als Lounge für das Buch, den Cognac und die Zigarette am Abend. Eine helle Nische unter der Treppe für Hausaufgaben, für Tee, fürs Lesen, fürs Nähen. Ein Ofen mit Bänkli für jene, die aus der Kälte kommen.

Hauseingang, Erschliessung des Erdgeschoss und eine kleine Treppe ins  Obergeschoss. Eine Galerie, von der man die Halle überblickt und die Gästezimmer, Kinderzimmer und Atelier erschliesst.

Es ist ein introvertierter, geschützter Raum. Die zwei kleinen Fenster im Erdgeschoss öffnen sich zur Veranda und bieten kaum einen direkten Blick ins Freie. Die Verglasungen der Türen sind mattiert. Die Konzentration ist ins Innere gerichtet. Ein Raum als Hommage an die Gemeinschaft der Menschen, die in diesem Haus alltäglich zusammenleben.

Sitzt man im Herbst am späten Nachmittag am Tischchen unter der Treppe und wünscht sich einen Tee, strahlt das Licht – gefiltert und gebrochen – durch das Strukturglas der riesigen Verglasung im oberen Bereich des zweigeschossigen Raumes direkt in die Nische und füllt sie mit so gleissendem wie sanftem Licht. Ein Licht, das an Schönheit kaum zu übertreffen ist und eine unglaubliche Präsenz bekommt durch den dämmrigen Grundton des Raumes.

Eichenholzparkett, dunkles Holz mit roten ausgemalten, volkstümlichen Schnitzereien, grüne Kacheln am Ofen, rot-violette Linkrusta-Wandbeläge, im oberen Bereich weisse Putzflächen, gegliedert mit Holzeinfassungen. Ornamental bedruckte Tapeten in der Nische, warmes Zitronenholzfurnier in der Lounge, beige Stoffbezüge, ein silbern schimmernder Vorhang. Ein Leuchter aus Messing. Dazu ausgestelltes Kunsthandwerk – für die bemalten Teller der slowakischen Volkskunst sind vielfältige Halterungen in die Architektur integriert – und integrierte Malerei. Dazu kommen kleine und grössere Modifikationen im Schnitt, dramatisches Licht, Durchblicke, Nischen, gezeigte Holzstatik. Kurz: der Raum ist unglaublich reich, vielfältig, bunt – aber nie unruhig oder überladen.

Für all dies braucht Jurkovič nicht mehr als 37m2.

[1] Aus einem Text von Vàclav Tille über Jurkovič, 1911, zitiert nach „Dušan Jurkovič, Der Architekt und sein Haus“, Brünn 2010

 

Architekt: Dušan Jurkovič
Haus: Villa Jurkovič
Ort und Baujahr: Brünn, 1906

Am 12.Februar halte ich im virtuellen Wien einen kurzen Vortrag über Midcomfort und diskutiere danach mit Bettina Götz von ARTEC Architekten Wien.  Dem hervorragenden Ankündigungstext habe ich nichts hinzuzufügen:

Ist das Wohnen der richtige Ort für Experimente, und wenn ja, für welche? Muss, darf, soll man den Komfort opfern für räumliche Innovation? Der Schweizer Architekt Lukas Imhof verneint das und plädiert für eine maßvolle und stabile „Architektur der Mitte“, die sich am Bewährten und Konsensfähigen orientiert. Schon in seinem modernekritischen Buch „Midcomfort“ (2013/2018) propagierte er die Tradition des wohnlichen Bauens, die die Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner respektiert. Mit Verweis auf die Reformarchitektur des 20. Jahrhunderts polemisierte er gegen die „gefeierte Avantgarde mit ihrer unreflektierten Fortschrittsgläubigkeit“ und gegen die „papierraschelnde Ideologie des forciert Neuen“. Aber sind unsere Wohnbedürfnisse wirklich stabil und unveränderbar? Was ist eine angemessene Hülle für das Innenleben? Ist der Komfort das höchste Ziel – und lässt sich dieser Begriff auch als Kategorie des Stadtraums begreifen? „Der Wohnbau ist zwar in den meisten Städten der Inhalt, aber der Wohnbau allein erzeugt noch keine Urbanität“, sagen ARTEC Architekten, für die der Wohnbau im Verhältnis zur „Elastizität des Stadtkörpers“ ein zentrales Thema ist. Für sie ist das Unfertige – im kleinen wie im großen Maßstab – Teil der Wohnlichkeit, im Sinne räumlicher Reserven, die dem Unvorhersehbaren Spielraum lassen.

Organisiert wird der Anlass von der Österreichischen Gesellschaft für Architektur,  moderiert wird er von Gabriele Kaiser und Maik Novotny. Den Link zur natürlich virtuell stattfindenden Veranstaltung werde ich hier publizieren, sobald ich ihn habe.

Mit der Planetenbrücke aus Grandvilles «UN AUTRE MONDE» wünschen wir Allen trotz der besonderen Umstände ein möglichst gelungenes 2021 und am Montag einen guten Start ins neue Berufsjahr!

Den neu geschaffenen Eingangsplatz am Ekkharthof haben wir bewusst leer gehalten – und uns gegen jegliche fest installierte Gestaltungselemente gewehrt. Bänke, Bäume und Brunnen wurden peripher angeordnet. Mit Camillo Sitte – «Das Freihalten der Mitte» – im Hinterkopf und dem Ziel, eine frei bespielbare Fläche zu gewährleisten, auf der Märkte, Feste, Tänze oder auch mal eine Eisbahn Raum finden können. Und natürlich der in der Region bekannte Weihnachtsmarkt – der, sobald es die Pandemie wieder zulässt – in der Vorweihnachtszeit auf dem neuen Marktplatz stattfinden wird.

Inspiriert vom fest installierten Christbaumständer am Bullingerplatz in Zürich haben wir der Bauherrschaft vorgeschlagen, einen ebensolchen im Platz zu integrieren. So haben wir ein einfaches Betonrohr im Asphalt eingelassen, das mit einem Gussdeckel 11 von 12 Monate im Jahr geschlossen wird und die Nutzung des Platzes nicht behindert. Daneben haben wir einen so genannten Unterflurelektranten versenkt, der den Strom für die Beleuchtung liefert. Alles wurde so angeordnet, dass die wichtigsten Gehwege für Fussgänger, Rollstuhlfahrer, die Anordnung von Marktständen und die Aufstellfläche des Tanklöschfahrzeugs nicht behindert wird, dass der Blick auf den See nicht beeinträchtigt wird, der Baum aber von möglichst vielen Orten zu sehen ist – und nicht zuletzt, dass eine schöne Ensemblewirkung entsteht.

Und obwohl die Vorweihnachtszeit dieses Jahr auch am Ekkharthof ruhiger ist als sonst, steht nun der gewaltige, 13 Meter hohe Weihnachtsbaum wunderbar auf dem Ekkharthofplatz und verbreitet weihnachtliche Stimmung. Manchmal ist es in der Architektur einfach, Möglichkeiten zu schaffen – und so die Realität zu beeinflussen.

Und: Frohe Festtage allerseits!

Schon dass wir mit unserem Bau für die EMV der AVA Altenrhein für die Auszeichung «Die Besten» – umgangssprachlich auch «die Häsli» genannt – nominiert waren, hat uns sehr gefreut. Noch mehr freut uns jetzt, dass der Bau in die engere Wahl gekommen ist und sogar eine Anerkennung bekommen hat. Dank an Hochparterre für die Auszeichnung und Gratulation an Loeliger Strub, Buchner Bründler und LLJ Architectes zum Gewinn der Häschentrophäen.

 

 

Anfangs Dezember letzten Jahres ergab es sich, dass zwei Wettbewerbsabgaben zur gleichen Zeit stattfinden sollten: Die Erweiterung der Produktionsstätte der Appenzeller Alpenbitter in Appenzell und die Neugestaltung des Obstmarktes in Herisau. Wir nutzten die Gelegenheit, um ein lange geplantes und immer wieder verschobenes Projekt in Angriff zu nehmen: Visualisierungen in jener Jaxonkreidetechnik zu erstellen, welche die Analogen um Miroslav Sik am Lehrstuhl von Fabio Reinhart in den 1980er Jahren an der ETH entwickelt und benutzt hatten. Nicht ohne Mühe und nur dank der Hilfe von Christoph Mathys gelang es uns schliesslich, an einem langen Wochenende vier Visualisierungen fertigzustellen.

Während wir den Wettbewerb in Appenzell gewinnen konnten, belegten wir in Herisau mit unserem Projekt «Clara» lediglich den 3.Platz. Die Dokumentation dazu ist jetzt dennoch online.

Und im Jurybericht immerhin der schöne Satz – der mich, obwohl er vermutlich nicht uneingeschränkt positiv gemeint war – sehr freut: «Mit suggestiven, grossflächigen Bildern und einer klaren und eleganten Architektursprache wird beim Projekt «Clara» die Stimmung eines städtischen Platzraumes des ausgehenden 19. Jahrhunderts evoziert.» 

Von allen schnell zusammengegoogelten erinnerten Herbstgedichten gefällt mir jenes von Theodor Storm am besten – es unterläuft den üblichen, lyrischen Herbstkitsch mit seinen zwei äusserst knappen, abschliessenden und wenig romantischen Teilen, die jeweils nur aus einer Strophe bestehen:

Die Sense rauscht, die Ähre fällt,
Die Tiere räumen scheu das Feld,
Der Mensch begehrt die ganze Welt.

Und sind die Blumen abgeblüht,
So brecht der Äpfel goldne Bälle;
Hin ist die Zeit der Schwärmerei,
So schätzt nun endlich das Reelle!

Und so gingen Carlos Wilkening und ich letzte Woche nach der letzten Sitzung der Baukommission über das herbstlich stille Gelände des Ekkharthofs und freuten uns am reellen Leben, das dort Einzug gehalten hat. Als eine der letzten Baumassnahmen wurde der kleine Garten der Wohngruppe für ältere Leute nach den Plänen von Markus Cukrowicz fertiggestellt. Das Guckloch, das sich die Bewohnerinnen gewünscht hatten, um von oben den Betrieb in unserer Turnhalle zu beobachten, hat der Landschaftsarchitekt an den Boden gespiegelt und so auf dem Rundgang durch den Garten einen kleinen, besonderen Ort geschaffen. Die Bewohnerinnen und Bewohner würden ihren neuen Garten sehr schätzen, wurde uns gesagt.

Die alte Sitzbank haben sie irritierend asymmetrisch vor das Fenster gestellt, das kleine Tischchen schiebt sich nicht weniger irritierend über den Rand der runden Asphaltfläche ins Gartenbeet hinein. Der Alltag und das Leben halten sich nicht an unseren Plan und nicht an unsere vermeintliche Symmetrieachse*. Die schwärmerischen Bilder, die wir uns von dieser poetisch gemeinten Stelle unseres Hauses gemacht hatten, werden jetzt durch die Realität ersetzt.

Gut so.

 

* Vermeintlich, weil das runde Fenster nicht symmetrisch in die Fassade gesetzt wurde, sondern symmetrisch zum Innenraum – der nicht mittig in die Aussenform gesetzt ist. Obwohl die Abweichung fast einen Meter beträgt, hat das nie jemand bemerkt.